Sekten sind laut Bibel dann schädlich, wenn sie sich verschließen und alle anderen ausschließen - von Leonardo Boff
Benedikt XVI. richtet gegenwärtig die katholische Kirche auf einen gefährlichen Kurs aus. Schon als Kardinal hat Benedikt fortschrittliche Gruppen und Theologen der Befreiung mit Schlägen traktiert, während er konservative und traditionalistische Kräfte und die Anhänger vom 1988 exkommunizierten Bischof Levebre mit Seidenhandschuhen behandelte.
Schließlich akzeptierte der Vatikan die im traditionalistischen Ritus gehaltenen Seminare vom abtrünnigen Bischof und erst kürzlich nahm der Papst sogar eine der zentralen Forderungen dieser Kreise an, nämlich die Wiederaufnahme der lateinischen Messe des Trientiner Konzils (1545-1563) - mit allen Kommunikations-Einschränkungen einer toten Sprache, die nur Eingeweihten zugänglich ist. Das Ärgste geschah gleich darauf mit der Veröffentlichung einer vom Papst genehmigten Schrift der Kongregation für die Doktrin des Glaubens zu fünf Grundsatzfragen der Kirche, wo festgehalten wird, dass die einzige Kirche Christus die Katholische Kirche sei, außerhalb der es keine Erlösung gäbe.
Solche Haltungen schüren Enttäuschung und Bitterkeit, jedenfalls schaffen sie eine Atmosphäre, die der Friedenssuche nicht förderlich ist.
Neutrale Sekte
So tauchen in der katholischen Kirche immer mehr Aspekte einer großen Sekte auf. Es wäre wichtig, sich zu erinnern, dass in den Anfängen das Christentum als Sekte bezeichnet wurde, da es sich um eine Gruppe von Dissidenten des Judentums handelte, die Jesus Christus folgte. So gesehen war die Sekte ein neutraler Begriff um eine Gruppe zu bezeichnen, die sich von der Mehrheit unterschied. Als später Konflikte unter den Glaubensbekenntnissen ausbrachen, bekam der Begriff Sekte eine negative Bedeutung, wie in den Briefen von Paulus an die Korinther, Römer und Galater zu lesen ist. Dort ist von "schädlichen Sekten" die Rede, die sich verschließen und alle anderen ausschließen.
Das ist das Risiko, das die Katholische Kirche gegenwärtig in ihrer zunehmenden Isolierung läuft. Ihre wichtigste soziale Basis findet sie in jenen laizistischen Bewegungen, die sich eines mangelhaften Bewusstseins auszeichnen und dem Obrigkeitsdenken ergeben sind.
In ihrem Gehorsam gegenüber der Logik des Marktes ziehen sie es vor, große von Medien getragene Spektakel zu besuchen, statt sich den Herausforderungen wie Armut und Ungerechtigkeit und den Bedrohungen der Biosphäre zu stellen.
Weigerungen
Ein Zeichen für Sektierertum ist es, wenn man die Universelle Menschenrechtsdeklaration von 1948 nicht unterschreibt, weil Gott nicht erwähnt wird - wenn man sich weigert, sich am Weltkirchenrat zu beteiligen, weil man sich einbildet, über alle anderen Kirchen zu stehen und in der Folge auch den Aufruf zu einem universellen christlichen Konzil für den Weltfrieden zurückweist - und wenn zum Beispiel vom Kauf von Unicef-Postkarten zugunsten von Not leidenden Kindern abgeraten wird, weil die betreffende internationale Organisation die Anwendung von Präservativen empfiehlt.
Die Doktrin und Strategie von Benedikt XVI steht im direkten Gegensatz zur Modernisierung und zwar durch Verharren in einem Kulturpessimismus. Das ist eine unakzeptierbare Haltung für jemanden der eigentlich wissen sollte, dass der Heilige Geist in der Menschheit ist und daher kein Monopol der Kirche darstellt und dass die Erlösung allen angeboten ist. Jedenfalls stellt sich die Kirche als eine "Gegen-Welt" dar - was nach Gelehrtenauffassung als typisch sektiererisch gilt.
Aufforderung zur Kirchenspaltung?
Es würde mich nicht wundern, wenn einige radikalere Konservative die Haltung des Papstes als Aufforderung auffassten, eine Kirchenspaltung voranzutreiben. Im 14. Jahrhundert lehrten fast alle Bischöfe die Irrlehre, dass Christus Gott kaum ähnlich wäre. Es waren damals die Laien, die die Kirche retteten, in dem sie Jesus als Sohn Gottes proklamierten.
Es wäre dringend notwendig diese Geschichte zu wiederholen, angesichts der geistigen Beschränktheit und der theologischen Leere, die in den hohen Sphären im Vatikan herrschen.
von DER STANDARD Printausgabe, 12.9.2007